Ausgabe 1/2021, Januar

WIdO-Themen

Qualitätsmonitor 2020: Weniger Notfallbehandlungen im ersten Lockdown

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie sank die Zahl der stationär behandelten Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Während wichtige Therapiemaßnahmen oft zügiger als im Jahr 2019 stattfanden, stieg im Frühjahr 2020 der Anteil der Patienten mit Hirninfarkt oder Hirnblutung, die neurologische Komplikationen aufwiesen oder verstarben. Das zeigen Auswertungen der Krankenhaus-Abrechnungsdaten von AOK-Versicherten im „Qualitätsmonitor 2020“.

Die Analyse von etwa 7.700 Herzinfarkten und 14.000 Schlaganfällen zeigt: Von Mitte März bis Anfang April 2020 ging vor allem die Zahl der Notfallpatienten mit leichten oder unspezifischen Symptomen zurück. So wurden wegen einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA), bei der es für bis zu 24 Stunden zu Schlaganfall-Symptomen kommt, 35 Prozent weniger Patienten behandelt als im Vorjahr. Die Behandlungen schwerer Schlaganfälle, die durch Hirninfarkt oder Hirnblutung ausgelöst wurden, sanken im gleichen Zeitraum um 15 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Herzinfarkt. Die Zahl der Behandlungen schwerer ST-Streckenhebungsinfarkte (STEMI) ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 24 Prozent zurück, beim leichteren Nicht-STStreckenhebungsinfarkt (NSTEMI) lag der Rückgang bei 29 Prozent. Trotz deutlich zurückgegangener Fallzahlen stieg die Zahl der Menschen, die innerhalb von 30 Tagen an Hirninfarkt oder -blutung verstarben, von 714 (12 Prozent) im Frühjahr 2019 auf 740 (15 Prozent) im Frühjahr 2020. Auch stieg der Anteil der Patienten mit neurologischen Komplikationen wie halbseitiger Lähmung sowie Sprach- oder Schluckstörungen. Ein weiteres zentrales Ergebnis der Auswertungen: Die stationäre Notfallversorgung hat in der Frühphase der Pandemie unverändert funktioniert, die Behandlungsprozesse liefen zum Teil sogar schneller. So fanden zeitkritische Behandlungen zur Wiedereröffnung verschlossener Blutgefäße – zum Beispiel Thrombektomie bei Hirninfarkt – im Frühjahr 2020 bei einem höheren Anteil der Patienten bereits am Tag der Klinikeinweisung statt.

Allerdings zeigt der Qualitätsmonitor auch, dass die seit Jahren bekannten strukturellen Mängel bei der Versorgung von Notfallpatienten in der Pandemie weiter bestehen. So waren 64 Prozent aller Kliniken, die im Jahr 2018 Schlaganfall-Patienten behandelten, nicht mit einer Stroke Unit ausgestattet. Auch hatten nur 55 Prozent aller Kliniken, die Herzinfarkte behandelten, ein Herzkatheterlabor. Vor allem Kliniken mit wenigen Schlaganfall- oder Herzinfarkt-Patienten verfügten selten über die von medizinischen Fachgesellschaften empfohlene Ausstattung. Über die Ergebnisse dieser Strukturanalyse auf Bundes-, Landes- und Klinikebene berichtet detailliert der Qualitätsmonitor.

Dr. Dagmar Drogan leitet das Projekt Risikoprädiktion im Forschungsbereich
Qualitäts- und Versorgungsforschung des WIdO

„Möglicherweise waren Notfallpatienten in der frühen Pandemie-Phase zögerlicher, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen. Der Anstieg der Todesfälle lässt vermuten, dass das gefährliche Konsequenzen hatte.“

Dr. Dagmar Drogan leitet das Projekt Risikoprädiktion im Forschungsbereich Qualitäts- und Versorgungsforschung des WIdO

Heilmittelbericht 2020 Mehr Pflege für die Füße von Diabetikern

Knapp 400.000 an Diabetes erkrankte AOK-Versicherte wurden 2019 wegen eines Diabetischen Fußsyndroms bei einem Arzt oder Podologen behandelt. Das zeigt der Heilmittelbericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).


Das Diabetische Fußsyndrom ist eine häufige und schwere Komplikation bei Diabetes mellitus und kann schlimmstenfalls zu Amputationen führen. Zur Vorbeugung und in weniger schweren Fällen versorgt ein Podologe die Betroffenen. Im Jahr 2019wurden 2,67 Millionen podologische Behandlungen verordnet. Das entspricht 841 Behandlungen je 1.000 AOK-Versicherte mit Diabetes mellitus (Männer: 814 je 1.000, Frauen: 867 je 1.000). Die Häufigkeit der Behandlung variiert nach Schweregrad: Mehr als 60 Prozent nahmen zwischen fünf und neun Behandlungssitzungen jährlich in Anspruch, weitere 18,3 Prozent etwa eine Behandlung im Monat. Gab es 2009 noch 67,6 podologisch behandelte Patienten je 1.000 AOK-versicherte Diabetiker, stieg diese Zahl 2019 bereits auf 117,4. Die Rate der von Amputationen betroffenen Diabetiker sank im selben Zeitraum um 15,5 Prozent. Für den Heilmittelbericht 2020 hat das WIdO die rund 46 Millionen Heilmittelleistungen ausgewertet, die 2019 zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet wurden, darunter 15,9 Millionen für AOK-Versicherte. Der Heilmittelumsatz erreichte damit in der Summe 8,8 Milliarden Euro. Heilmittel umfassen ergotherapeutische, sprachtherapeutische, podologische und physiotherapeutische Leistungen. Der Heilmittelbericht 2019 zeigt Trends in der Heilmittelversorgung der GKV über mehrere Jahre. Die Versorgung der AOK-Versicherten wird zudem alters-, geschlechts- und diagnosespezifisch dargestellt, ergänzt um viele Abbildungen und Tabellen.

Asthma bronchiale Ältere Frauen und Jungen besonders betroffen

Um die Krankheit Asthma bronchiale geht es in der zweiten Ausgabe des Gesundheitsatlas. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) beleuchtet Unterschiede nach Alter, Geschlecht und Regionen sowie Zusammenhänge mit Risikofaktoren.

Der Gesundheitsatlas des WIdO zeigt die Verteilung der Patientinnen und Patienten mit Asthma bronchiale in Deutschland anhand eines alters-, geschlechtsund morbiditätsadjustierenden Hochrechnungsverfahrens, dem Daten der AOK zugrunde liegen. Dabei zeigt sich: Unter Kindern und Jugendlichen bis zu 14 Jahren beträgt die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) bei Jungen5,4 Prozent gegenüber 1,9 Prozent bei Mädchen. Im höheren Erwachsenenalter dagegen sind Frauen häufiger als Männer von Asthma betroffen. Neben diesen Zusammenhängen untersucht der Gesundheitsatlas regionale Unterschiede: So ist die Asthmaprävalenz in Mecklenburg-Vorpommern (3,4 Prozent) eher niedrig, in Nordrhein-Westfalen dagegen (4,7 Prozent) eher hoch. Insgesamt erkranken in Großstädten überdurchschnittlich viele Menschen an Asthma. Zudem zeigt der regionale Vergleich: In Gegenden mit hoher Adipositashäufigkeit liegt auch die Asthmaprävalenz höher (4,5 Prozent) als in Regionen mit niedrigerer Adipositashäufigkeit (3,8 Prozent). Ergänzend zu empirischen Analysen nach Alter, Geschlecht und Regionen enthält der Gesundheitsatlas Informationen zu Ursachen, Risikofaktoren, Folgen und Präventionsmöglichkeiten.

So stellen Nichtrauchen, Vermeidung von Adipositas und ein gutes Management der Erkrankung wichtige Faktoren dar, um die asthmabedingte Krankheitslast zu verringern.

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Analysen – Schwerpunkt: Innovationsfonds-Projekte

Strukturmigration im Mittelbereich Templin

Steffen Bohm, AGENON, Berlin, Lutz O. Freiberg, IGiB-StimMT, Potsdam, und Pramono Supantia, AOK Nordost, Potsdam

Im Rahmen der ersten Förderwelle des Innovationsfonds nach& § 92a SGB V wurde das Projekt „IGiB-StimMT – Strukturmigration im Mittelbereich Templin“ gestartet (Förderkennzeichen: 01NVF16001). Seinen Ausgangspunkt nimmt das Projekt bei für ländliche Regionen typischen Versorgungsproblemen, auf die mit der Migration bisheriger Versorgungsstrukturen reagiert wird. Wesentlichen Bestandteil bildet das Ambulant-Stationäre Zentrum (ASZ) mit einem bedarfsgerecht angepassten Mix aus ambulanten und stationären Versorgungsangeboten, der neu konzipierten Überwachungseinheit sowie dem Koordinierungs- und Beratungszentrum (KBZ). Vorliegende Zwischenergebnisse zeigen, dass die Rate der ambulant-sensitiven Krankenhausfälle deutlich vermindert und damit ein zentrales Projektziel erreicht werden konnte.

Ambulante fachärztliche Versorgung: Steht der Patient im Mittelpunkt?

Robert Dengler, Institut für Gesundheit und Soziales, FOM Hochschule für Oekonomie & Management, München

Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) wurde aus dem § 116b des Fünften Sozialgesetzbuchs (ambulante Behandlung im Krankenhaus) entwickelt. Sie bietet seit 2012 Leistungserbringern aus dem Krankenhaus und niedergelassenen Fachärzten bei einheitlichem Ordnungsrahmen für Teilnahme, Qualitätssicherung und Vergütung die Möglichkeit, Patienten mit seltenen Erkrankungen oder mit besonderem Versorgungsbedarf ambulant zu betreuen. Aufgrund vielfältiger Hürden und Probleme wurde die ASV anfangs nur zögerlich angenommen, inzwischen hat sie Fahrt aufgenommen. Es bleiben jedoch weiterhin viele Fragen offen, was Sektorenüberwindung, Wettbewerb, Aufwand und Umsetzung angeht, vor allem aber, inwiefern die ASV vom Patienten her gedacht ist und dessen Versorgung verbessert.

Krankheitslastbestimmung mit Prävalenzen und Schweregraden auf Routinedatenbasis

Jan Breitkreuz, Katrin Schüssel, Gabriela Brückner und Helmut Schröder, Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin

Das Konzept der Krankheitslast misst die gesundheitliche Lage der Bevölkerung, um eine umfassende Planungsgrundlage für die Gesundheitspolitik bereitzustellen. Dafür sind sowohl Angaben zur Prävalenz als auch zum Schweregrad von Krankheiten notwendig. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) ermittelt diese Kennzahlen auf Basis von Routinedaten der Krankenkassen und stellt sie im vom Innovationsfonds geförderten Projekt BURDEN 2020 für eine regionalisierte Krankheitslastberechnung zur Verfügung. Beispielhaft werden das Vorgehen zur Ermittlung von Prävalenzen und Schweregraden für Typ-2-Diabetes und Lungenkrebs beschrieben und ausgewählte Ergebnisse vorgestellt. Eine umfassende Darstellung der Methoden und Ergebnisse findet sich auf der& Webseite krankheitslage-deutschland.de.